Wir machen weiter mit kleinen Durchgangsbahnhöfen mit Lokeinsatzstelle und befinden uns wieder mitten im Erzgebirge. Nachdem ich hier schon die beiden kleinen Abzweigbahnhöfe Königswalde ob Bf und Walthersdorf (Erzgeb) vorstellte, bleiben wir in unmittelbarer Nähe dieser beiden sicher modellbahntauglichen Bahnhöfe. Es fehlt nun zur modellgerechten Darstellung noch die kleine Lokeinsatzstelle.
Vorstellen möchte ich hier einen schon "sehr großen" kleinen Bahnhof, der sicher Vielen vom Namen her bekannt ist. Der Bf Schlettau war der Ausgangspunkt, der in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts von unzähligen Eisenbahnfreunden aufgesuchten Strecke nach Crottendorf oberer Bf wegen des dort reaktivierten Dampflokeinsatzes der BR 86.
Eigentlich begann ja die Strecke nach Crottendorf erst in Walthersdorf (Erzgeb), dem östlichen Nachbarbahnhof. Die Züge begannen aber in Schlettau. Durchaus weniger bekannt dürfte eine zweite Strecke sein, welche ihren Ausgangspunkt in Schlettau hatte, die Strecke nach Stollberg (Sachs). Auch diese Strecke zweigte nicht direkt im Bf Schlettau ab, sondern erst in Scheibenberg, dem westlichen Nachbarbahnhof. Damit befand sich Schlettau genau zwischen zwei Abzweigbahnhöfen von dessen Strecken die Züge in der Regel bis Schlettau durchliefen und die Lokeinsatzstelle (zum Bw Annaberg-Buchholz zugehörig) notwendig machten. Nach 1950 spielten hier die BR 86 und gelegentlich BR 38 2-3 im Zugdienst die Hauptrolle.
Die Übersicht zu den drei Bahnhöfen:
und etwas größer:
Am 20.08.1947 verkehrte der letzte Zug zwischen Stollberg und Scheibenberg und der Abbau im Rahmen der Reparationsleistungen begann. Der Abbau konnte durch engagierten Einsatz vom Bürgermeister von Elterlein und Landrat von Annaberg-Buchholz gestoppt werden. Die im Bf Elterlein schon abgebauten Gleise wurden wieder eingebaut und der Streckenrest Elterlein - Scheibenberg blieb bis 1965/66 in Betrieb. Auch der Abschnitt Stollberg - Zwönitz wurde bis zum 01.07.1949 wegen des Wismut-Bergbaus wieder aufgebaut. Die Bahnhöfe Bernsbach, Beierfeld und Grünhain sollten für immer ohne Gleise bleiben. Auf dem landschaftlich sehr reizvollen Streckenabschnitt Zwönitz - Scheibenberg befanden sich 6 große Stahl-Viadukte, welche der Strecke bald den Namen "Obererzgebirgische Aussichtsbahn" einbrachten.
So sah der Zugverkehr im Sommer 1958 aus:
1996 wurde der Betrieb nach Crottendorf eingestellt, 1997 auch der auf der "Hauptlinie" Annaberg-Buchholz - Schwarzenberg. Allerdings blieb sie als einzige bis heute erhalten und seit einigen Jahren werden hier an ausgewählten Wochenenden Sonderfahrten angeboten. An dieser Strecke befindet sich auch das weithin bekannte Markersbacher Viadukt.
Aber nun zum Gleisplan Bf Schlettau. Man sehe mir nach, dass ich den Gleisplan hier genau entgegengesetzt zur Himmelsrichtung einstelle, da man ihn sich so sicher besser in eine Modellbahn eingebettet vorstellen kann. Der Bf verfügt über drei Hauptgleise (Gleise 2, 3 und 4), die gleichzeitig auch Bahnsteiggleise waren. Zwischen Gleis 2 und 3 befand sich ein Inselbahnsteig, am Gleis 4 ein Zwischenbahnsteig, alle in extrem schmaler Ausführung mit schienengleichem Zugang. Das unmittelbar vor dem Empfangsgebäude liegende Gleis 1 war Ladegleis mit Ladestraße, Güterschuppen und Laderampe. In östlicher Verlängerung in Richtung Walthersdorf - Annaberg-Buchholz zweigte vom Gleis 1 noch das kurze Ladegleis 8 zur Kopframpe ab. Im Westen schloss das über eine Wagendrehscheibe (erst nach 2000 wieder "ausgegraben") vorhandene Anschlussgleis zur BHG an.
Gleis 2 diente im östlichen Teil als Aufstellgleis für Güterwagen und verfügte über eine Gleiswaage. Es war gegenüber den Hauptgleisen mit Gleissperren gesichert.
Gleis 5 war das Verkehrsgleis zum Umfahren der Züge und zur Lokeinsatzstelle. Im Osten befand sich ein Ra 11b (weißes "W"). Das Gleis 6 diente offensichtlich als Ab- und Aufstellgleis, in der Verlängerung ebenso wie Gleis 7 als Lokschuppengleis. Der Lokschuppen diente in den 80er Jahren (wahrscheinlich schon viel früher) zur Abstellung von Museumsloks der DR. Der von mir zwischen Gleis 2 und 3 eingezeichnete Wasserkran war kein Wasserkran, sondern eine für mich eher provisorisch anmutende Lokfüllstation, ähnlich der Pulsometeranschlüsse in der Altmark. Südlich der Gleisanlage gab es jedenfalls einen großen Wasserbehälter. Sicher wird es früher zwischen den Gleisen 6 und 7 am Lokschuppen ein "richtigen" Wasserkran gegeben haben, für den ich aber keinen Nachweis habe. Auch wurde später offensichtlich an der Sicherungstechnik des Bahnhofes das Eine oder Andere verändert. So zeigen z.B. Bilder aus den 80ern eine Gleissperre im westlichen Gleis 5 im Bogen vor der Einmündung nach Gleis 4, wo doch eigentlich die davor liegende Weiche schon Flankenschutz bieten könnte. Andersherum bestand offensichtlich aus Gleis 6 in Richtung Osten kein Flankenschutz. Auch die Einfahrsignale waren in den 80er Jahren Lichtsignale und ein benachbarter Bahnübergang wurde mit modernen Überwachungssignalen gesichert. Vielleicht weiß ja hier jemand etwas mehr zur Situation zu berichten. Über Informtionen von Insidern dazu hier an dieser Stelle würde ich mich freuen. Leider ist bei den vielen Berichten zur Strecke Schlettau - Crottendorf der Bf Schlettau selbst immer etwas zu kurz gekommen.
Und wer bisher durchgehalten hat, bekommt nun den Gleisplan: und für die Sammler und Downloader (ein furchtbares Wort - Herunterlader klingt aber auch besch...eiden :lol etwas größer: [[File:f54852t322884p3580609n2.jpg|none|fullsize]] Der Lageplan wurde wieder unter Zuhilfenahme vom Google-Earth massstäblich gezeichnet, allerdings zur besseren Erkennbarkeit in der Nord-Süd-Ausrichtung um das Doppelte vergrößert.
Einige wenige links zum Bf und zu den Strecken, da das www eine menge Fotos, Filme und Informationen zu den Strecken bietet:
Zuerst einmal danke für die Arbeit, die du dir gemacht hast - sehr sehens- und lesenswert!
Eine Frage zum Gleisplan / Betrieb hätte ich noch: der Ksch wird ja die Ortslok beherbergt haben. Aber wie war das mit dem Lsch - waren da die Loks für die Verbindung nach Crottendorf stationiert?
Zumindest 1939 war diese Strecke ja noch recht dicht befahren. Zusätzlich existierte auch noch eine Verbindung Schlettau - Buchholz, die offenbar auch von Schlettau aus eingesetzt wurde. Oder habe ich da was falsch verstanden?
Basis meiner Fragerei sind die Kursbuchblätter 143 und 143 f von 1939, zu finden hier: http://www.deutsches-kursbuch.de/index.htm - die ließen mich die genannten Schlüsse ziehen.
Von Interesse fände ich auch, welchem Bw Schlettau zugeordnet war. War das Aue?
Da ja offensichtlich noch einige Fragen auftraten hier weitere Informationen.
ZitatEine Frage zum Gleisplan / Betrieb hätte ich noch: der Ksch wird ja die Ortslok beherbergt haben.
Ksch ist in meinen Zeichnungen die Abkürzung für Kohleschuppen. In Sachsen war es noch lange üblich, dass die Lokomotivkohle nicht unter freiem Himmel in Kohlebansen, sondern in überdachten Kohleschuppen gelagert wurde. Die Abkürzungen, wie ich sie in meinen Zeichnungen verwende, hatte ich hier erläutert.
ZitatAber wie war das mit dem Lsch - waren da die Loks für die Verbindung nach Crottendorf stationiert?
Die kleine Lokeinsatzstelle Schlettau war von 1889 bis 1907 eigenständiger Lokbahnhof, gehörte von 1907 bis 1939 zum Bw Buchholz/Sachs (Annaberg-Buchholz Süd) und danach bis 1947 zum Bw Aue. 1947, mit Stilllegung des durchgehenden Betriebes nach Stollberg auf der Zwönitzer Strecke wurde die Einsatzstelle Schlettau geschlossen und der Lokeinsatz von Annaberg-Bucholz Süd (bis 1966 selbstständiges Bw, danach Einsatzstelle des Bw Aue) aus gesteuert. Danach diente der Lokschuppen nur noch zur Abstellung von Lokomotiven, später auch Museumsloks des Verkehrsmuseums Dresden.
Zu Betriebszeiten waren hier in Schlettau die Loks für den Einsatz auf den Strecken nach Crottendorf und nach Stollberg stationiert. Dies waren die BR 89.2, 71.3, 91.3, 64 und 86. Für den Einsatz der BR 64 nach Crottendorf gibt es aber bisher keinen Nachweis. Allerdings dürften auch andere BR wie z.B. 75.5 und 94.20, sowie 57.10 und 89.0 von der Stollberger Strecke zum Wenden Schlettau angefahren haben. Der Lokeinsatz auf der durchgehenden Strecke Annaberg-Buchholz - Schlettau - Schwarzenberg erfolgte von Buchholz oder Schwarzenberg aus.
Tante Edith meinte, ich solle noch einen link zur "Sachsenschiene" setzen, hier ist im 12. Bild auch der Kohleschuppen zu sehen. Sachsenschiene -Bf Schlettau-
[ Editiert von Nebenbahner aus Sachsen am 12.04.12 19:55 ]
Da muß ich mich aber bei Dir für die vorzügliche und detaillierte Aufzählung der Betriebswerke, welche für diese Bahn zuständig waren bedanken. Eine sehr gute Abhandlung!
ZitatGepostet von Nebenbahner aus Sachsen Ksch ist in meinen Zeichnungen die Abkürzung für Kohleschuppen.
Logisch - das Gleis führt ja auch daran vorbei; das kann ja garnicht der Schuppen für die Ortslok sein. Pawlowscher Reflex eines Gleisplanlesers, fürchte ich.
Ansonsten vielen Dank für die sehr ausführlichen weiteren Erläuterungen! Ich kenne die Gegend ja nur aus der Zeit nach 2002 - ein Jammer, was da letztlich noch von übrig ist... Umso mehr schätze ich Informationen darüber, wie es in dieser einst hochindustrialisierten Ecke Deutschlands einst bahnmäßig ausgesehen hat!
Mal wieder einen schönen alten Beitrag von Micha aus der Versenkung geholt ...
Aber bei einem so schönen Bildbeitrag im HiFo zur Bahnlinie Schlettau - Crottendorf, wie eben gerade im HiFo eingestellt, da kann ich einfach nicht wiederstehen!
Links zur Bahnstrecke hatte Micha ja oben schon einige angegeben. Zur Bahnstrecke nach Crottendorf sei nur dieser hier wiederholt! Dort findet man auch einen Gleisplan von Crottendorf! Weitere Bildbeiträge zur Crottendorfer Strecke findet man ansonsten per eigener Suche reichlich ...
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Schlettau, der große kleine Bahnhof mit "Bw"
18.05.2016 22:12 (zuletzt bearbeitet: 18.05.2016 22:13)
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Logisch - das Gleis führt ja auch daran vorbei; das kann ja garnicht der Schuppen für die Ortslok sein. Pawlowscher Reflex eines Gleisplanlesers, fürchte ich.
