"Das ist die crimson/cream Farbgebung der frühen British Rail. Also Epoche III. Möglicherweise ein Mk.I. Passt eigentlich nicht wirklich, zu dieser Zeit waren die A4 in dunkelgrün und ohne Schürzen über den Rädern unterwegs...
Aber schön is' trotzdem!"
Ja das ist auch mein erstes Englisches fahrzeug gewesen! Ein schöner Wagen allerdings sind die Wagenübergänge ätzend da die aus Gummi sind und schon verformt!
Wie sind die Branch line Wagen so? Sind die gut verarbeitet?
Ich möchte nämlich wenn ich meine rote LMS habe auch passende Wagen besorgen und da würde mich interesieren ob die Branch Line Wagen akzeptabel sind.
Ich habe mir einen Pullman Wagen von Hornby angeschaft... ein Wahnsinnsteil! Federpuffer, beleuchtete Tichlämpchen einfach herlich sowas bekommt man hier nicht für den Preis! Eine Frage zu diesem wann wurden diese eingesetzt? Wären mit diesen Wagen ein Einsatz mit der blauen Mallard realistich? Mir gefällt nämlich der Wagen unwarscheinlich gut hinter der Mallard und nun überlege ich mir weitere Wagen davon anzu schaffen!
Kann ich nicht sagen, hab' noch keine. Kommt, wie überall, darauf an, um welche Wagen es geht (Konstruktionsalter, Zustand der Formen etc.). Bedruckung bei neuen Wagen wird sehr ordentlich sein. Habe bislang nur Wagen mit Kupplungsaufnahme an Drehgestell gesehen, was mich vom Erwerb einer GWR-Garnitur abgehalten hat. Die LMS-Wagen würde ich mir erstmal "live" anshen, die gibt's schon länger.
ZitatIch habe mir einen Pullman Wagen von Hornby angeschaft... ein Wahnsinnsteil!
Welchen denn? Den Sechsachsigen (ist der schon raus?)?
Bei den Pullmans besteht grundsätzlich kein Unterschied zwischen Vor- und Nachkriegsfarbgebung (immer brown/cream), bei den Beschriftungen wird's Unterschiede geben. Deine A4 weist eine Vorkriegsbeschriftung und -farbgebung (LNER garter blue) auf. Diese Loks wurden natürlich auch vor Pullman-Zügen eingesetzt - Haupteinsatzgebiet waren aber eher modernere, schnelle Züge zwischen London und Edinburgh wie "Silver Link", "Flying Scotsman" und "Elisabethan". Zwischen 1938 und ca. 1961.
Nach längerer Zeit möchte ich Euch mal wieder ein bißchen etwas von der Insel zeigen, dieses Mal aus dem Nordosten Englands: von der London North Eastern Railways, kurz L.N.E.R.
"The Flying Scotsman", legendäre Schnellzugverbindung zwischen London King's Cross und Edinburgh.
Gresley A1 class, hier die no. 4475 "Flying Fox" im Zustand der Dreißiger Jahre. Die als Klasse A1 ab 1922 gebauten Pacifics wurde größtenteils ab 1930 modernisiert, nachdem sie in einem Vergleichstest gegen die deutlich kleinere "Castle"-class der Great Western alt ausgesehen hatten. Mit Kylskap-Doppelschornstein und modifizierter Dampfmaschine versehen, gingen sie als Klasse A3 vor dem "Flying Scotsman" in die Eisenbahngeschichte ein und bildeten die Basis für die wohl berühmteste Schöpfung von Nigel Gresley:
Die A4
Gresley A4 class 4468 "Mallard", immer noch aktuelle Halterin des Weltrekords für Dampflokomotiven mit 202 km/h.
Güter auf die Bahn im schwer industrialisierten Nordosten Englands:
Gresley K3 class, eine 1' C h3 - Lok für den gemischten Dienst, beschafft zwischen 1920 und 1930. Solche Loks galten auf der Insel als mittlere Güterzugmaschinen.
Die Stanier O6 class (Bauart 1' D h2) ist eigentlich eine LMS - Type von 1935 (LMS class 8F). Typisch der "tapered boiler", also der sich zum Kesselende verjüngende, eckige Stehkessel mit konischem Langkessel. Als zu Beginn des II. Weltkrieges bei der L.N.E.R. ein modernes Muster einer schnellen Güterzuglok fehlte, wurde kurzerhand das Muster dieser für britische Verhältnisse sehr schweren Maschine von der Konkurrenz übernommen. Daher präsentiert sich diese Lok in schwarzer Kriegsbemalung ohne jegliche Linien oder gar Farbe. Die Briten nennen das "wartime austerity", also ungefähr "magere Kriegsjahre". Sogar das "L" und das "R" von LNER sparte man sich...
Sämtliche hier gezeigten Loks standen, zumindest teilweise, bis zum Ende des Dampfbetriebes 1968 oder bis kurz zuvor im Dienst.
ZitatWie schön clean und schnörkellos die Loks alle aussehen
Die britischen Bahnen waren bis 1948 Privatbahnen (allerdings von gewaltigem Einfluss auf den Staat), die - insbesondere LMS und LNER - heftig in Konkurrenz zueinander standen. Da gewinnt auch das Design von Lokomotiven an erheblichem Gewicht um die Gunst der Passagiere. Preußischer Zweckbau à la Garbe wäre wohl kaum gut angekommen...
Für britische Verhältnisse - zumal 1911, als die O 4 für die Great Central Railway entworfen wurde, waren 1' D - Maschinen ungemein schwer. Fünffach gekuppelte Güterzugloks, wie in Deutschland (pr. G 10, bay. G 5/5, württ. E und H/Hh) - waren (fast) unbekannt. Zugleich war die O 4 die erste Güterzuglok der GCR mit Schmidt-Überhitzer, so dass sie ihre Vorgängerinnen leistungsmäßig weit übertraf. So ist die O 4 trotz ihres altertümlichen Aussehens (niedriger Umlauf, kurzes, fensterloses Führerhaus, innenliegende Steuerung) eine moderne Maschine. Sie zog schwere Kohlenzüge aus den nordostenglischen Kohlerevieren an Tyne und Wear und West Yorkshire nach London und in die Häfen. Der Typ wurde im ersten Weltkrieg von der (Kriegs-) Betriebsverwaltung (Railway Operation department (ROD)) als Kriegslok bestimmt und in großen Stückzahlen beschafft. Direkt und aus ROD-Beständen erwarben Great Central Railways und London North Eastern Railways 273 Stück bis weit in die Zwanziger Jahre, andere Gesellschaften beschafften weitere.
55 Stück wurden ab 1944 einem umfangreichen Modernisierungsprogramm unterzogen und wurden dann als class O 1 geführt. Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen 278 der O 4 und 51 O 1 zu British Railways und standen dort bis 1966 in Dienst.
Bei der Digitalisierung hat sich - bei mir wie auch in britischen Foren - gezeigt, dass die Verarbeitung der Lok-Tender-Verbindung mitunter Anlass zu Problemen im Digitalbetrieb gibt. Dies zeigt sich daran, dass die Modelle ohne Decoder analog einwandfrei laufen, mit eingestecktem Decoder jedoch einen Kurzschluss produzieren.
Bachmann LNER O4 - Lötverbindungen an den Steckern der Lok-Tender-Verbindung
Die Lötpunkte der kleinen 4-poligen Steckverbindung, durch die die Verbindung zum Tender hergestellt wird, sind mitunter nicht sorgfältig genug ausgeführt. Offensichtlich findet eine Endkontrolle nur unter analog-Bedingungen statt, so dass Fehler im Digitalbetrieb unerkannt "durchgehen". Abhilfe schafft nur nitty-gritty detail review unter der Lupe: sind alle Lötpunkte (oben und unten!) elektrisch getrennt? Hat sich keine Brücke gebildet? Bei Bedarf muss neu gelötet oder mit einem scharfen Cutter-Messer (oder Mini-Fräse) die Trennung "nachgeschnitzt" werden. Häufig ist das die Ursache. Leider ist das dann nicht mehr Plug 'n Play...
Übrigens lässt sich der hier verbaute ESU LoPi4 viel besser einstellen, wenn sämtliche Drosseln und Kondensatoren am Motor entfernt werden. Dies gilt übrigens für alle aktuellen Bachmann-Dampfer.
Hornby hat sich ein Herz genommen und endlich auch mal Nahverkehrswagen nach Vorkriegstypen neu entwickelt: Gresley non-vestibuled Suburbans, also Abteilwagen ohne Seitengang, aus 1927, in der Ursprungsfarbgebung der London North Eastern Railway (LNER).
Diese Wagen, Mitte der Zwanziger Jahre von Nigel Gresley konstruiert, weisen die für die LNER typischen Teakholzverkleidungen auf. Wie schon bei den 61'-Schnellzugwagen, die 2004 neu herausgebracht wurden, ist auch bei diesen Wagen die Imitation der Teak-Oberflächen sehr schön geworden - wie die Wagen insgesamt wieder sehr gelungen sind. Die Detaillierung ist umfangreiche und filigran, das Finish lässt keine Wünsche offen. Die Wagen haben Kurzkupplungskulissen mit NEM-Schacht, sind aber nicht für Innenbeleuchtung vorbereitet. Bei neuentwickelten Personenwagen hat man auf der Insel den kontinentalen Standard erreicht - leider auch preislich.
Dies sind übrigens die ersten "Nicht-Schnellzugwagen" einer britischen Vorkriegsbauart, die in guter Qualität erscheinen. Man stelle sich das für Deutschland vor - keine Abteilwagen (egal welche), Donnerbüchsen, E-30-Wagen etc.
1. Klasse. Im Vereinigten Königreich gab es zwei Arten Abteilwagen - solche mit Seitengang und solche ohne. Abteilwagen mit Seitengang gab es in Deutschland bis auf eine Versuchsserie in den Dreißigern (märklin) nicht, sondern nur solche ohne Seitengang. In England wurden die ohne Seitengang und ohne Faltenbalge im Nahverkehr und im ländlichen Bereich eingesetzt.
Dritte Klasse. Zweite gab es nach ca. 1900 nicht mehr.
Composite Lavatory. Also 1./3. Klasse mit Lokus. Man beachte, dass der Composite im Unterschied zu den anderen Wagen dieser Gattung jeweils Seitengänge aufweist, also eigentlich gerade nicht "non vestibuled" ist. Die Gänge der 1. und der 3. Klasse sind jeweils auf der gegenüberliegenden Wagenseite, daher die optische Teilung des Wagens in Wagenmitte (die breiten Fenster sind je auf der Gangseite).
...und zum Schluss der Brake 3rd. Dies würde nach deutschem System einem CPw4 entsprechen. Brake vans (Bremswagen) waren früher tatsächlich Bremswagen, die im Zugverband für die Abbremsung der ansonsten ungebremsten Wagen sorgten. Diese Wagen wurden - zunächst nur nebenbei - zum Transport von Gepäck verwendet. Nach Einführung durchgehender (Westinghouse-) Bremsen in den Jahren nach 1910 (!) wurden Bremswagen überflüssig. Jedoch wurden sie in der Packwagenfunktion unter der Bezeichnung "Brake" weiter verwendet und entwickelt, meist als kombinierte Pack/Personenwagen. Ein "Full Brake" (ein ganzer Packwagen) war selten.
Jetzt fehlt nur noch ein passender Hobel dafür, eine B 17/1 ist aber angekündigt.
Gresley B 17/1 "Sandringham class" der L.N.E.R. (Hornby)
Die B 17 wurden auch "Footballer" class genannt
Auf den britischen Inseln waren Dampflokomotiven der Bauart 2' C noch weiter verbreitet als in Deutschland, da neben Schnellzug- und Personenzugloks auch schnelle Güterzugloks mit dieser Achsfolge entworfen wurden. Allein die L.N.E.R. hatte 19 verschiedene Bauarten der Achsfolge 2' C übernommen bzw. neu entwickelt und als Klassen B 1 bis B 18 eingereiht.
under a looming dark sky
Eine typische Vertreterin der Konstruktionsprinzipien des langjährigen Chefkonstrukteurs der L.N.E.R., Sir Nigel Gresley, ist diese 2' C h3 - Schnellzugmaschine für den mittleren Dienst. Die Maschinen wurden von North British Loco Co. nach Vorgaben von Gresley konstruiert. Sie wiesen ein Dreizylindertriebwerk mit äußerer Walschaerts (=Heusinger-) Steuerung auf, der mittlere Zylinder wies keine eigene Steuerung auf, sondern wurde durch eine Gresley-Ventilsteuerung durch die Außensteuerungen mitgesteuert. Der Innenzylinder trieb die erste, die beiden Außenzylinder die zweite Kuppelachse an. Die Zylinder waren 444x660 mm, die Kuppelräder 2006 mm. das Leergewicht betrug 116 to. Zwischen 1928 und 1937 wurden insgesamt 63 Maschinen in vier Unterbauarten (B 17/1 bis B 17/4) in Dienst gestellt. Die B 17/4 waren mit Group Standard Tendern von 4.200 gal (ca. 19 m3) ausgestattet, die übrigen mit Tendern nach Zeichnung der Great Northern mit 3.500 gal (ca. 16 m3). Die Betriebsnummern 2848-72 erhielten Namen von (englischen) Fußballclubs, daher die Bezeichnung "Footballer". Zwei Maschinen wurden 1937 für den Einsatz vor dem "East Anglian" mit einer Stromlinienverkleidung im Stile der A 4 ausgerüstet und als Klasse B 17/5 geführt. Ab 1943 wurden 57 Maschinen mit neuen Kesseln ausgerüstet und als Klasse B 17/6 geführt. Alle wurden 1948 von Britisch Rail übernommen und bis 1960 ausgemustert. Die Maschinen wurden überwiegend im Raum East Anglia eingesetzt.
Hornby Art.-Nr. R2920(X)
Gut zweieinhalb Jahre hat Hornby sich Zeit gelassen, das Anfang 2011 angekündigte Modell auszuliefern. Das Warten auf diese Neukonstruktion hat sich m.E. gelohnt.
Die hier nachgebildete erste Maschine wurde 1928 mit der Betriebsnummer 2800 und dem Namen "Sandringham" in Dienst gestellt, die Maschine wurde namensgebend für die gesamte Klasse (in Sandringham Hall liegt eine der königlichen Sommerresidenzen). Bedruckung und Lackierung sind tadellos, auch der Führerstand ist farblich abgesetzt, die Zierlinien trennscharf gedruckt. Das Fahrwerk ist detailliert nachgebildet, die Steuerung leicht dunkel eloxiert. Die Radsätze bestehen aus Kunststoff und sind teilbedruckt. Bei einer Lok mit derart großen Kuppelrädern wären feine Metallradsätze sicherlich schöner gewesen.
nur die Lok
In technischer Hinsicht entspricht das Modell dem aktuellen Standard auf der Insel: 5-poliger Motor ohne Schwungmasse mit Schneckenantrieb auf die Kuppelräder ohne Haftreifen, Lok-Tender-Kupplung durch starre Deichsel, aber auf zwei Längen einstellbar, kein Licht, 21-polige DSS. Die Stromabnahme erfolgt über sechs Achsen (Kuppel- und Tenderachsen) und ist vollkommen ausreichend. Die Fahreigenschaften sind ruhig und leise. Die Höchstgeschwindigkeit ist deutlich zu schnell, dies ist wohl auch den fehlenden Haftreifen geschuldet. Der Regelungsbereich ist analog gut, das Modell fährt sehr früh an (Fleischmann-Trafo aus Nullstellung, schon geht's los). Dieses Modell habe ich versuchsweise mit dem werksmäßig verbauten Decoder geordert - den sollte man sich sparen. Zwar passt der Decoder gut zum Motor, lässt sich aber kaum einstellen. Nicht einmal die Höchstgeschwindigkeit (CV 5) lässt sich programmieren. Immerhin kann des Ding lange Adressen und die Fahreigenschaften mit Werkseinstellung sind okay.
...Einblick in den Führerstand
und noch einmal mit Blick auf den kurzen 3500-Gallonen-Tender (3 T 16)
Diese kleinen Güterzugmaschinen wurden zwischen 1901 und 1910 von der Great Central Railways (GCR) beschafft, die 1923 in der L.N.E.R. aufging. Es handelt sich dabei um eine ganz typisch englische Bauart, die auf den britischen Inseln bis weit in die Fünfziger Jahre eingesetzt wurde, während ihre Schwestern auf dem Kontinent längst verschwunden waren - die Reichsbahn hatte ihre letzten laufachslosen Dreikuppler bis Anfang der Dreißiger Jahre sämtlich ausgemustert. Die englischen Maschinen waren aufgrund ihrer Bauart jedoch schneller und laufruhiger als etwa die deutschen Maschinen und damit auf Nebenstrecken auch im Personenzugdienst einsetzbar. Aufgrund der Innenzylinder, des langen Achsstands mit unterstütztem Stehkessel und der Innensteuerung befanden sich die meisten schweren Teile innerhalb der Achsen und der Spurweite, so dass diese Loks kaum Überhänge aufwiesen. Nicht umsonst waren preußische G 41 und bayerische C IV als Longboiler-Maschinen aufgrund ihrer großen Überhänge nur für 45 km/h zugelassen, diese J 11 und bauartähnliche Typen wurden bis zu 65 km/h gefahren.
Bachmann Branchline Art.-Nr. 31-318
Da diese Art Lokomotiven für Kontinentaleuropäer etwas "unvollständig" wirken mag: Die Maschine hat Innenzylinder und Innensteuerung, insofern "fehlen" Zylinder, Steuerung und Treibstange nicht. Die Lackierung im einfachen schwarz und die Bedruckung sind einwandfrei, der Führerstand weist farbliche Ausgestaltung auf. Die Kuppelstange besteht aus eloxiertem Metall, die Räder sind brüniert. Die Radkränze bestehen aus lackiertem Kunststoff und sind filigran gestaltet.
In technischer Hinsicht entspricht das Modell dem aktuellen Standard auf der Insel: 5-poliger Motor ohne Schwungmasse, Schneckenantrieb auf die Kuppelräder, diese ohne Haftreifen, Lok-Tender-Kupplung durch starre Deichsel, aber auf zwei Längen einstellbar, kein Licht, 21-polige DSS. Die Stromabnahme erfolgt über fünf Achsen (Kuppel- und zwei der Tenderachsen) und ist vollkommen ausreichend. Die Fahreigenschaften sind ruhig und leise. Die Höchstgeschwindigkeit ist stark überhöht, der Regelungsbereich ist analog gut. Da keine aufwendige Untersetzung erfolgt, läuft das Modell leise, aber viel zu schnell.
die eleganten Pullman-Züge der Belle Epoque und der Zwischenkriegszeit sind für mich immer eine Sünde wert. Zwei Neuerscheinungen am britischen Markt lassen sich geradezu vortrefflich zu eine stilreinen Garnitur der Zeit um 1930 kombinieren: Bachmanns Ivatt Atlantic der Klasse C 1 und die Pullman K type Ganzstahlwagen in der Farbgebung von 1928-40 von Hornby.
Doch vorerst etwas historisches Bildmaterial:
....und vor dem West Riding Pullman ca. 1930, Zuglauf London King's Cross - Newcastle
Ivatt C 1 der L.N.E.R. (Bachmann/NRM)
Eine besonders elegante Erscheinung mit eigener Note - und wirklich selten im Modell - sind "Atlantic"-Schnellzugmaschinen. Das National Railway Museum in York setzte mit Bachmann die Ivatt Atlantic der Klasse C 1 um - und zwar die dort erhaltene Maschine.
LNER 3251, C 1 class, Bachmann 31-765NRM
Die C 1 wurden 1902 vom Chefkonstrukteur der Great Northern Railways, Henry Ivatt, konstruiert. Die Maschinen waren eine verstärkte Version der Atlantics der Klasse C 2 "Klondykes" von 1898. Die erste entstand 1902 durch Umbau einer "Klondyke". Zwischen 1904 und 1910 wurden weitere 90 Zwillings-Maschinen gebaut, die letzten zehn mit Überhitzer der Bauart Schmidt. Zwischen 1914 und 1932 wurden alle Zwillingsmaschinen mit Überhitzern unterschiedlicher Bauart ausgerüstet.
Die C 1 wurden von Anfang an im hochwertigen Schnellzugdienst der Great Northern eingesetzt, wo sie die Stirling Singles ablösten. In den Zwanziger und Dreißiger Jahren kamen sie zu zahlreichen Schnellzug-Ehren vor Pullman-Zügen, so dem West Riding Pullmann (London-Newcastle), dem Harrogate Pullman (Edinburgh-Harrogate) und dem Queen of Scots (London-Glasgow). Aus dem schweren Schnellzugdienst wurden sie nach Erscheinen der Gresley-Pacifics der Klassen A 1 und A 3 zwar recht schnell verdrängt, hielten sich aber lange von leichteren Garnituren mit 4-8 Wagen. Ab 1943 wurden die C 1 durch die Thompson B 1 (2' C h2) ersetzt, und 1950 schied die letzte aus.
Pullman K type all steel coaches
Wirklich schöne Pullman-Wagen brachte Hornby in Form der Pullman K type all steel coaches heraus, also Ganzstahlwagen von 1928. Dabei handelt es sich um Neukonstruktionen, die nur bedingt auf den seit 2001 gefertigten Modellen der K type Pullman-Wagen der Holzbauart ("Matchboard sides") aufbauen. Mit diesen Modellen haben die neuen K type all steel Wagen eines gemein: die sehr gut getroffene Eleganz der Vorbilder, die typische Pullman-Farbgebung (dazu später mehr) und die durch LED beleuchteten Tischlampen.
Parlour 1st "Agatha"
Kitchen 1st "Loraine"
Brake 3rd no. 79
Parlour 3rd no. 73
Kitchen 3rd no. 72
Sehr schön lassen sich die Niete der selbsttragenden Wagenkästen erkennen. Vorbildgerecht fehlen die Sprengwerke - daran lassen sich selbsttragende Ganzstahlkonstruktionen leicht von der Generation davor mit Holzaufbauten unterscheiden. Diese Salonwagen für den hochwertigen Schnellzugdienst sind mit Vakuumbremse und elektrischer Beleuchtung ausgerüstet. Sie wurden 1928 konstruiert und sind in technischer Hinsicht, Ausstattung und Renommee das Äquivalent zu den - exakt gleichzeitig eingeführten - Rheingold der DRG und Edelweiß der CIWL und dem entsprechenden Wagenmaterial.
Blick von oben auf die Dachgestaltung
Einfach mal genießen: Einsicht in die Salons von "Loraine" mit Tischlampen
Die Farbgebung in brown/cream mit schmalem Coat of Arms und hellen Dächern entspricht dem Zeitraum zwischen 1928 und dem 2. Weltkrieg. Vor 1928 war der braune Streifen oberhalb des Fensterbandes auch crèmefarben. Die hier dargestellten Wagen kamen vor dem Krieg u.a. im "Queen of Scots" (London-Glasgow über die Ostroute) zum Einsatz, also überwiegend auf dem Netz der LNER und der Southern.
Details des Einstiegsbereiches mit den ovalen, dem Jugendstil entlehnten Fenstern und dem bis 1960 verwendeten schmalen Coat of Arms. An den Fensterformen ist zu erkennen, dass die Wagen aus demselben Stall (Metropolitan-Cammell) stammen wie die zeitgenössischen CIWL-Wagen
Die Modelle sind sehr schön umgesetzt und entsprechen dem heutigen Standard. Saubere, aufwendige und lupenreine Bedruckung, intensive Dachdetaillierung, zahlreiche angesetzte Griffstangen erwecken ein stimmiges Gesamtbild. Zu beachten ist, dass bis auf den 3. Klasse Salonwagen ("3rd Parlour") keiner der Wagen symmetrische Wagenseiten aufweist, sei es aufgrund der Küchen, des Gepäckabteils oder, wenn dies fehlt, aufgrund der Toilettenanordnung. Die Wagen weisen Kurzkupplungskulissen auf, die Hornby-Kurzkupplung gehört zum Lieferumfang.
Locomotion Models/Rapido GNR Stirling Single "Leander" class
als Freund der alten Eisenbahn möchte ich ein ganz besonderes Modell vorstellen: das neu entwickelte Modell der Stirling Single von Locomotion Models/Rapido in Spur 00.
"Single Wheeler" waren Schnellzugmaschinen mit nur einem Satz riesiger Treibräder, zunächst mit der Achsfolge 1 A 1, später - und dies sind für mein stilistisches Empfinden besonders elegante Erscheinungen - mit Vorlaufdrehgestell, also der Bauart 2' A 1. Die wohl berühmteste davon ist die "Leander" class der Great Northern Railways (G.N.R.) von Patrick Stirling - der Stirling Single. Da das National Railway Museum in York über eine Stirling Single verfügt (ja, sowas gibt es nur in UK), hat sich Locomotion Models in Zusammenarbeit mit Rapido aus Kanada der Umsetzung in 1:76 angenommen. Das Projekt hat seit der Ankündigung im Jahre 2013 einige Zeit in Anspruch genommen, seit Juli/August diesen Jahres wurde ausgeliefert.
G.N.R. Stirling Single no. 1, Locomotion Models/Rapido Art.-Nr. 449373
Die Stirling Singles der "Leander" class zählen sicherlich zu den Landmarks der Eisenbahngeschichte - nahmen sie doch an den legendären "Races to the north" in den Jahren 1888 und 1895 teil. In den "Races" konkurrierten die Bahnen der West Coast Route mit denen der East Coast Route darum, wer den schnellsten Expresszug zwischen London und Edinburgh (1888) bzw. Aberdeen (1895) fahren konnte. Die G.N.R. war auf der East Coast Route für die Strecke zwischen London King's Cross und York verantwortlich. East Coast und West Coast unterboten wechselweise die Zeiten der jeweils anderen Linie. Die East Coast Route machte das Rennen knapp, auf beiden Linien wurden jedoch Bestzeiten von über 52 mph (84 km/h, Durchschnitt über die ganzen Strecke) erreicht. So einigte man sich letztlich auf ein Unentschieden, stellte den Wettbewerb ein und die Fahrzeiten wurden um 30 Minuten verlängert. Die Stirling Singles hatten 1888 gezeigt, dass sie in der Ebene 75 mph (121 km/h) erreichen konnten. In den Wettbewerben von 1895 (nach Eröffnung der Firth of Forth-Brücke, Ziel Aberdeen) erreichten sie gar 85 mph (137 km/h). Die höchste Durchschnittgeschwindigkeit von King's Cross nach Aberdeen betrug 63,2 mph (101,7 km/h), gefahren auf der West Coast Route.
Rear view.
Es waren beeindruckende Maschinen mit 8 Fuß 1 Zoll (2464 mm) großen Treibrädern - daher auch der Spitzname "Eight-footer". Entwickelt wurden sie 1870 von Patrick Stirling, dem Chefingenieur der G.N.R., für den Expresszugdienst zwischen London und York. Es war eine Weiterentwicklung seiner einige Jahre zuvor für die Glasgow & South Western gebauten Maschinen. Die Stirling Singles weisen die Bauart 4-2-2 (2' A 1 n2) mit Außenzylindern auf. Es sind - selbstverständlich für die Zeit - Naßdampf-Zwillingsmaschinen, deren domloser Kessel mit zunächst 140 psi (9,66 bar) und später 170 psi (11,73 bar) Kesseldruck arbeitete. Die Maschinen brachten zwischen 40 und 49,5 Tonnen auf die Waage. Die G.N.R. beschaffte zwischen 1870 und 1895 in mehreren Serien insgesamt 53 Stück. Zwischen 1870 und 1899 trugen diese Maschinen den schnellen und exclusiven Expresszugverkehr zwischen London und York - Züge wie der "Flying Scotsman" waren ihr täglich Brot. Mit Indienststellung der Ivatt Atlantics ab 1898 wurden sie aus dem schweren Schnellzugverkehr verdrängt; die letzte Stirling Single quittierte 1916 ihren Dienst. Die Maschine mit der Betriebsnummer 1 kam bereits 1907 (!) nach Aufarbeitung in das Museum in York und ist ist dort nach einer erneuten Aufarbeitung 2014 zu bewundern.
Vorbild
G.N.R. no. 5 zeigt sich hier wohl 1891 in York.
Locomotion Models hat sich natürlich der quasi vor der Haustür befindlichen Museumsmaschine des NRM mit der Betriebsnummer 1 angenommen. Diese wurde 1870 in den Doncaster Works gebaut und kam nach der Ausmusterung 1907 in's Museum. Im Modell wurde der 2014 aufgearbeitete originale 2,500 Gallonen Tender umgesetzt, so dass eine "echte" Epoche I Version entstanden ist (Die Maschine hatte 1907n bei der Aufarbeitung für das Museum einen kleineren Tender der Bauart Sturrock erhalten, mit dem sie bis 2014 gekuppelt war.
Im Profil.
Modell Das Modell ist eine Neukonstruktion aus 2018. Bis auf einige Ansteckteile ist es komplett aus Metall. Radsätze, Kessel, Gehäuse aus Metall - habe ich bei RTR-Modellen aus UK noch nicht gesehen. Aus der Feuertür blinkt eine Feuerbüchs-Beleuchtung. Die Lok-Tender-Kupplung ist starr, die Kupplungsaufnahmen entsprechen vorn und hinten der NEM 362, sind aber nicht kulissengeführt. Das Modell verfügt über eine 21-polige MTC-Schnittstelle nach NEM 660, bei der Digitalversion steckt hier ein ESU LokSound Select (=v4 DCC) drin.
Das Modell ist in lined Doncaster green gehalten. Als Betriebsnummer 1 lässt sich die Maschine entweder in ihrer Blütezeit zwischen 1870 und 1900 oder als aktuelle Museumsmaschine einsetzen.
Das ist mal ein Treibrad...
Detaillierung Die Farbgebung ist mustergültig umgesetzt, die Drucke sind gestochen scharf. Auch in puncto Detaillierung lässt Rapido nichts anbrennen. Alle Leitungen und Griffe sind angesetzt und von geringer Materialstärke aus Draht oder Ätzteilen. Die Radsätze sind aus Metall und die spezielle Speichenform insbesondere natürlich der gewaltigen Treibräder sind gut getroffen. Die Spurkränze dürften RP 25 entsprechen.
Der Führerstand glänzt mit farblicher Ausgestaltung.
Fahreigenschaften Die Fahreigenschaften sind digital sehr gut (analog nicht getestet). Der Stirling Single wird durch einen 5-poligen Motor mit Schwungmasse über Schneckengetriebe - entgegen seinem Namen - auf Treib- und die Nachlaufachse angetrieben. Haftreifen gibt es nicht. Die Basis der Stromabnahme ist mit allen Lokachsen und zwei Tenderachsen mehr als ausreichend. Die Höchstgeschwindigkeit ist m.E. zu hoch, lässt sich digital jedoch gut "einfangen".
Bei diesem Modell war insbesondere die Zugkraft spannend. Bei Modellen von Schlepptenderloks mit Lokantrieb und ohne Haftreifen ist das Gewicht der Lok für die Traktion ausschlaggebend. Solch alte Schätzchen wie die Stirling Single waren einfach kleine Loks, die wenig Volumen aufweisen, aus dem - auch bei Metallbauweise - Gewicht generiert werden kann. Das Modell (mit Tender) bringt 259 Gramm auf die Waage. Das reicht in der Ebene bequem für 8 Vierachser ohne Beleuchtung oder vier über Radschleifer beleuchtete Zweiachser mit Packwagen. Vorbildgerechte Züge bekommt dieser Flachlandrenner also in der Ebene problemlos vom Fleck.
Sound Der Sound klingt gut und trifft m.E. auch den auf Video konservierten akustischen Eindruck des Originals ganz gut (siehe hier: Stirling Single unter Dampf 1982). Eingebaut ist ein ESU LokSound Select, das ist ein LokSound v4 nur für DCC. Decoder und ein 23 mm-Rundlautsprecher befinden sich im Tender. Das Soundprojekt verfügt über Vollast (kräftigerer Auspuffschlag) über Funktionstaste, die Dampfstöße bleiben bei Lastwegnahme ganz weg. Mit den Werkseinstellungen läuft das Modell bereits gut, jedoch zu schnell (auch für eine mit über 130 km/h Höchstgeschwindigkeit schnelle Dampflok). Die Einstellungen der CVs für die Geschwindigkeit der Dampfstöße nach Redzierung der Höchstgeschwindigkeit hat ziemlich Zeit in Anspruch genommen.
Bilder sagen mehr als Worte...
Fazit Für mich auf jeden Fall das Modell des Jahres aus UK. Schön, elegant, rassig, hervorragend umgesetzt und sehr gut laufend - und der Sound ist auch gut. Jetzt benötigen wir nur noch einen Zug aus 3-achsigen Teakholz-Abteilwagen der G.N.R. mit Oberlicht.
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RE: Britische Modelle
25.09.2016 21:03 (zuletzt bearbeitet: 27.10.2016 09:46)
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